Travelogue

Kulturelle Differenz beschreiben – Dimensionen von Kulturen nach Hofstede

Wie stellt Ihr Euch Indien vor, fragten wir unsere Studierenden bei der Vorbereitung unseres Workshops in Banasthali. Natürlich kommen dann zuerst einmal allgemeine Bilder und Aussagen, bis hin zu Stereotypien und Klischées.

 

Um eine Kultur zu beschreiben braucht es bisweilen Verallgemeinerungen. Auch wenn diese nie auf jedes Individuum einer Kultur zutreffen so weisen dennoch oft viele Menschen bestimmte Eigenschaften oder Verhaltensweisen auf.

 

Es gibt Kulturen die einander ähnlicher sind und solche die sich stärker voneinander unterscheiden. Wie gross die kulturelle Differenz ist, lässt sich nach Hofstede anhand fünf grundlegender Dimensionen beschreiben. Diese Dimensionen basieren auf valider empirischer Forschung. Je grösser der Unterschied zwischen Heimat- und Gastkultur in den einzelnen Dimensionen, desto grösser die kulturelle Differenz. Je grösser die Differenz umso grösser ist auch die Gefahr eines Kulturschocks, vor allem bei längerem Aufenthalt.

 

  1. Machtdistanz: Wie gross sind Machtunterschiede? Und inwieweit werden die Unterschiede von den weniger Mächtigen akzeptiert? Wie wird mit Ungleichheit von Menschen umgegangen?
  2. Individualismus versus Kollektivismus: Ist ein Ich-Gefühl oder Wir-Gefühl vorherrschend? Werden Bedürfnisse und Rechte von Einzelnen oder von Gruppen stärker geschützt?
  3. Männlichkeit versus Weiblichkeit: Welche Werte werden mit Männern bzw. Frauen assoziiert? Welche Werte dominieren? Wie gross ist die Lücke zwischen Männern und Frauen und deren Werten? Wie stark unterscheiden sich Rollen von Männern und Frauen?
  4. Vermeidung von Ungewissheit: Wie unsicher ist die Zukunft und wie hoch der dadurch ausgelöste Stresslevel? In welchem Masse wird Ungewissheit akzeptiert?
  5. Langfristige oder kurzfristige Orientierung: Liegt der Fokus auf der Gegenwart oder der Zukunft? Wie wird geplant?
  6. Nachgiebigkeit und Beherrschung: Wird Glück erreicht durch das Gefühl von Kontrolle über das eigene Leben sowie die Bedeutung von Freizeit und Musse?

 

Diese Dimensionen Hofstedes (beschrieben bei Skierlo 2008, 27 und hier) können helfen, kulturelle Unterschiede zwischen kulturellen Räumen zu fassen und beschreiben.  Das heisst aber nicht, dass ein Individuum sich so verhält, wie es anhand dieser kollektiven Zuschreibungen zu erwarten wäre. Hier besteht immer die Gefahr der Stereotypisierung und hierin besteht die grosse Kritik an Hofstedes Konzept. Verallgemeinerungen müssen immer hinterfragt werden und dürfen nicht den Blick verstellen: Was beobachte ich hier und jetzt wirklich? Ist mir meine stereotype Vorstellung im Weg?

 

Die Festschreibung dieser Dimensionen könnte zudem den Eindruck erwecken, dass Kultur etwas sei, dass man messen und „dingfest“ machen kann. Vieles, was einen kulturellen Raum ausmacht, kann man allerdings nicht sehen, und es ist auch nicht statisch, sondern beständiger Veränderung unterworfen. Eine Landkarte ist nie die Landschaft selbst. Kultur existiert nicht, soll Hofstede selbst einmal gesagt haben (Shaules 2015, 158).

 

Armin Skierlo (2008). Avoiding cultural shock.

Joseph Shaules (2015). The intercultural mind. Connecting Culture, Cognition and Global Living.

https://de.wikipedia.org/wiki/Geert_Hofstede

Bild/Skizze: Nora Fankhauser