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Die Dinge des Alltags – das Museum der Unschuld

Es sind die ganz gewöhnlichen Dinge des Alltags, die von kulturellen Räumen und ihren Bewohnerinnen und Bewohnern erzählen, von ihren täglichen Ritualen, ihren Träumen, ihren Traditionen. Deswegen ist das Erforschen der materiellen Kultur so lohnenswert, gerade auch im Design, zum Beispiel mit Hilfe der Artefaktanalyse. Dabei lassen sich Lebenswelten und lokale Designkulturen jenseits globaler Märkte entdecken, da ist kulturelle Diversität zu finden, die es – entgegen der Tendenzen zu einem Global Design, das oftmals Differenzen einebnet, zu erhalten gilt.

Und manchmal entsteht aus einer Sammlung von eigentlich ganz gewöhnlichen Dingen eine ungewöhnliche Ausstellung:

 

 

Eigentlich ist das Museum der Unschuld ein Roman, genauer gesagt ein Liebesroman aus der Feder von Orhan Pamuk. Tatsächlich ist es aber auch ein realer Ort. Ein Museum in einem reizenden Quartier Istanbuls, voll von Gegenständen, die der türkische Literaturnobelpreisträger während seiner Arbeit an besagtem Roman sammelte. Alle Gegenstände im Museum sind verknüpft mit Textstellen. Doch auch wer den Roman nicht gelesen hat, kann sich in die bezaubernde Sammlung vertiefen: Ausgestellt werden Gegenstände des Istanbuler Lebens aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: alte Telefone, Fotografien, sogar Zigarettenstummel. So können die Besucherin und der Besucher eintauchen in die Lebenswelt der Istanbuler Mittelschicht, insbesondere in das Leben von Kemal und Füsun, den beiden Hauptfiguren des Romans. Die grossen Museen, so Orhan Pamukin einem Zeitungsinterview, dominieren lokale Kultur. Sie erzählen Geschichten von Nationen, nicht aber von Individuen. Um die Menschlichkeit einer Nation zu entdecken empfiehlt Pamuk aber das kleine „Individualmuseum“.

 

Orhan Pamuk (2008). Das Museum der Unschuld.

 

Fotos: Innocence Foundation and Refik Anadol, Firuzağa Mahallesi, Çukurcuma Caddesi No 24, 34425 Çukurcuma / Istanbul, http://www.masumiyetmuzesi.org, info@masumiyetmuzesi.org